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November 2008
08.11.2008 verdeckte Ermittlungen
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Generalangriff gegen heimliche Ermittlungen
 


Kleiner Lauschangriff
Onlinedurchsuchung light
TKÜ
Schutz des Berufsgeheimnisses
 

 
Während beim Ersten Senat des BVerfG die Vorratsdatenhaltung ( §§ 100g StPO, 113a, 113b TKG) auf dem Prüfstand steht (1), befasst sich der Zweite Senat mit den Verfassungsbeschwerden gegen die Neufassung der StPO seit dem 01.01.2008 in verschiedenen Punkten und hat jetzt den Erlass einer Einstweiligen Anordnung gegen den Gesetzesvollzug abgelehnt (2).

Die Entscheidung setzt sich sehr tief gehend mit dem Fachrecht auseinander und zeigt in diesem Zusammenhang Kompetenz und Verständnis. Gleichzeitig zeigt es die Prüfungsmaßstäbe für die Entscheidung in der Hauptsache auf und legt sie offen. Zu erwarten ist danach eine umfassende Auseinandersetzung mit den Mitteilungs- und Belehrungspflichten in § 101 StPO im Zusammenhang mit heimlichen Ermittlungen.
 

 
Es lohnt sich ein Blick auf die Einzelheiten.

Der Begriff "heimliche Ermittlungen", den das BVerfG verwendet, ist im Internet wenig verbreitet (2) und wurde in der Rechtsprechung m.W. bislang nicht gebraucht. Ich habe ihn bislang zur Abgrenzung zu den im Gesetz geregelten verdeckten Ermittlungen ( § 101 StPO) vor Allem für die Fälle der Vertraulichkeit, Geheimhaltung und den Scheingeschäften sowie im Zusammenhang mit der Onlinedurchsuchung verwendet ( geheime Ermittlungen).
 

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Da der Inhaber des räumlich getrennten Speichermediums nicht notwendigerweise die von der Durchsuchung betroffene Person ist, sondern ein Dritter sein kann, könnte sich die Durchsuchung diesem gegenüber als heimliche Maßnahme darstellen. Dem trägt der Verweis in § 110 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 StPO n.F. auf § 98 Abs. 2 StPO Rechnung. Nach § 98 Abs. 2 Satz 1 StPO soll innerhalb von drei Tagen die gerichtliche Bestätigung hinsichtlich der Sicherung der vom externen Speichermedium gesicherten Daten beantragt werden. Das für die Bestätigung zuständige Gericht hat gemäß § 33 Abs. 2 und Abs. 3 StPO vor der Bestätigung dem Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren. Nach § 98 Abs. 2 Satz 6 StPO ist der Betroffene über seine Rechte zu belehren. Dadurch wird sichergestellt, dass der Inhaber des externen Speichermediums von der Maßnahme zeitnah Kenntnis erhält und seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann. (Rn. 121)
 

 
Soweit sich die Antragsteller gegen den Kleinen Lauschangriff ( § 100f StPO) und die Onlinedurchsuchung light wenden ( § 110 Abs. 3 StPO), weil es die Verfassungsbeschwerden als unzulässig ansieht (Rn. 90), allerdings aus verschiedenen Gründen.

Wegen des Kleinen Lauschangriffs handelt es sich um eine nur redaktionelle Neufassung, die die alte Fassung abgelöst hat, ohne wesentliche Änderungen einzuführen. Die Neufassung ist strenger in Bezug auf die Anwendungsvoraussetzungen, der Durchführung und der Mitteilungspflichten geworden (Rn. 112 ff.).  Deshalb greife die Ausschlussfrist des § 93 Abs. 3 BVerfGG von einem Jahr, die jedoch auf die alte Fassung anzuwenden sei (Rn. 92, 93).
 

 
Im Hinblick auf die Onlinedurchsuchung light, also wegen der Erweiterung der offenen Durchsuchung auch auf räumlich entfernte Datenträger, seien die Antragsteller nicht unmittelbar betroffen und damit - jedenfalls derzeit - nicht beschwerdebefugt (Rn. 116).

Wegen der erweiterten, aber offenen Durchsuchungsbefugnisse wird dem Durchsuchungsbetroffenen der fachgerichtliche Rechtsschutz gewährt, so dass Verweis auf § 98 StPO (gerichtliche Bestätigung). Das gelte auch für den Dritten, wenn er der Inhaber des räumlich getrennten Speichermediums sei (siehe links außen, Rn. 121).

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Die Datenerhebung durch Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO erfolgt heimlich. Der Betroffene erfährt weder vor noch während der Durchführung von der Maßnahme, so dass während oder zeitnah nach der Überwachung kein fachgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann. Der Umstand, dass § 101 Abs. 4 StPO eine Benachrichtigung der Betroffenen vorsieht, steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen. Eine zeitnahe Kenntnis von der Maßnahme und eine daran anknüpfende Möglichkeit zur Überprüfung im gerichtlichen Verfahren sind dadurch nicht gewährleistet, weil § 101 Abs. 4 und Abs. 5 StPO umfangreiche Ausnahmetatbestände enthält ... (Rn. 130)
 

 
Die Verfassungsbeschwerden wegen der Überwachung der Telekommunikation und dem damit verbundenen fachgerichtlichen Rechtsschutz ( §§ 100a, 101 StPO sind weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet (Rn. 127) und bedürfen einer umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren (Rn. 138).

 
Ausschlag gebend dafür ist: Die Maßnahme kann nicht nur den möglichen Straftäter selbst oder dessen Kontakt- und Begleitpersonen erfassen, sondern auch Personen, die mit den Adressaten der Maßnahme über Telekommunikationseinrichtungen lediglich in Verbindung stehen, ohne in die verfolgten Straftaten verwickelt zu sein. (Rn. 132)

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§ 160a StPO n.F. findet auch auf heimliche Ermittlungsmaßnahmen Anwendung, von denen die Betroffenen gegebenenfalls erst nach Ablauf geraumer Zeit unterrichtet werden (s.o.) - also etwa auf die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO n.F., das Abhören des nichtöffentlich gesprochenen Worts außerhalb von Wohnungen nach § 100f StPO n.F., die Erhebung von Verkehrsdaten nach § 100g StPO n.F., den Einsatz weiterer technischer Mittel nach § 100h StPO n.F. oder die längerfristige Observation nach § 163f StPO. (Rn. 136)
 

 
§ 160a StPO enthält ein abgestuftes System von Beweiserhebungs- und -verwertungsverboten bei Berufsgeheimnisträgern, das für sämtliche Ermittlungsmaßnahmen - offene und heimliche - gilt (mit Ausnahme der Maßnahmen nach § 97 und § 100c StPO und soweit auf die §§ 97 und 100c StPO verwiesen wird, vgl. § 160a Abs. 5 StPO n.F.). (Rn. 134)

In Bezug auf die heimlichen Ermittlungen könnten die Antragsteller jedenfalls als Mitbeteiligte betroffen werden, so dass auch diese Norm einer umfassenden Prüfung im Hauptsacheverfahren bedarf.
 

 
Ein so überwiegendes Interesse der Antragsteller gegenüber dem gewichtige(n) rechtsstaatliche(n) Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung, insbesondere von schweren Straftaten (Rn. 148), erkennt das BVerfG hingegen nicht, so dass es von einer einstweiligen Anordnung abgesehen hat.
 

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(1) auch Einschränkungen für die Gefahrenabwehr

(2) BVerfG, Beschluss vom 15.10.2008 - 2 BvR 236/08 -
- 2 BvR 237/08
(im Text zitiert nach Randnummern);
Bundesverfassungsgericht weist Eilantrag gegen Reform der Telefonüberwachung ab, Heise online 07.11.2008

(3) Google: 84 Treffer am 08.11.2008
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018