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November 2009
29.11.2009 Hirnforschung
     
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Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI) misst nicht die Hirnaktivität selbst, sondern geht einen Umweg: Sie erfasst das Verhältnis von sauerstoffreichem und -armem Blut. Regionen, in denen das Hirngewebe viel arbeitet, verbrauchen mehr Sauerstoff. Diese Aktivität wird farblich in Hirn-Schnittbildern dargestellt. Die Methode liefert allerdings lediglich Bilder der Aktivität von Hirnregionen – die Aktivität einzelner Neuronen kann sie nicht abbilden. Außerdem gibt es immer einen gewissen Zeitverzug, sodass die Dynamik des Denkens nur begrenzt zu erfassen ist. (1)
 
 

 
berichtet von einem indischen Gerichtsverfahren, in dem eine elektrische Gehirnwellenmessung an einem wegen Vergewaltigung und Tötung eines Mädchens Verdächtigen zu seiner Entlastung zugelassen worden sei (1). Nur die Geschworenen sollen sich nicht richtig überzeugen lassen haben.

Die moderne Hirnforschung setzt die Strafrechtspflege gehörig unter Druck, indem sie zum Beispiel die Existenz eines freien Willens in Zweifel zieht (2).

Die neue Meldung erinnert mich an die überstandene Diskussion über den Lügendetektor. Aufgrund neuer Erkenntnisse und einer verfeinerten Handhabung sollte auch er in der Lage sein, Verdächtige zu entlasten. Der BGH hat ihn - jedenfalls nach dem Beginn der Hauptverhandlung - als völlig ungeeignetes Beweismittel angesehen (3) und das völlig zu Recht, wie mein Erfahrungsbericht gezeigt hat.

Die Hirnforschung schickt sich an, das Denken besser zu verstehen, die menschliche Verhaltenssteuerung aufzudecken und Gedanken sogar lesen zu wollen. Soweit es um das Verständnis des menschlichen Denkens und Verhaltens geht, ist dem nichts zu entgegnen. Soweit es jedoch um die Willensfreiheit und den Wortlaut von Gedanken geht, wird's problematisch.
 

 
 Ich möchte nicht, dass jeder meiner Gedanken offenbar wird und jede kleine Lüge, mit der ich mich aus der Affäre ziehe oder soziale Fellpflege betreibe, öffentlich zur Diskussion und zum Abschuss freigegeben wird. Auch das ist Freiheit.

Ich kann verstehen, dass die Hirnforscher die Prozesse des Denkens und der Verhaltenssteuerung verstehen wollen. Wenn sie soweit sind, möchte auch ich verstehen, was sie verstanden haben.

Den Durchbruch zum Verständnis sehe ich hingegen noch nicht. Noch immer werden eher Säue durchs Dorf gejagt, die die Betroffenen verschrecken, aber keine rechte Erkenntnis verbreiten. Besonders aktive Hirnregionen sind zwar interessant, aber die Prozesse des Denkens und der Verhaltenssteuerung scheinen mir noch immer weitgehend unbekannt zu sein. Die Methoden zur Erkennung innerer Bewegtheit sind sicherlich feiner geworden, während ich mich bei meiner Wahrnehmung auf rote Ohren, nervöses Verhalten, fahrige Bewegungen und sprachliche Auffälligkeiten beschränken muss. Soziologische Allgemeinaussagen und psychologische Bestandsaufnahmen ersetzt die gerätelastige Hirnforschung noch nicht.

Und das ist gut so.
 

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(1) Hirnscans sollen Mordverdächtigen entlasten, Heise online 26.11.2009

(2) keine freie Entscheidung

(3)  BGH, Urteil vom 17.12.1998 - 1 StR 156/98
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018