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November 2010
08.11.2010 10-11-13 Literatur
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift ZEIT-Krimis

 

 

 
Das Konzept verspricht Spannung: Unter dem Label der ZEIT sind 12 Wissenschafts-Krimis (1) und weitere 12 historische Kriminalromane erschienen (2). Zwei davon habe ich gelesen, weil mir ihre Plots besonders zugesagt haben.

Lehr (3) geht von einem Störfall im Kernforschungszentrum CERN aus. Etwa drei Dutzend Leute werden dadurch mit Zeitblasen versehen und bilden damit persönliche Inertialsysteme. Während sie in ihrer Blase ein Jahr erleben, vergeht in der Außenwelt nur eine Sekunde. Der Störfall begab sich im Sommer und zur Mittagszeit. Die Inertialisierten klauen sich ihre Lebensmittel zusammen, verhöhnen und missbrauchen die nahezu bewegungslosen Normalzeitmenschen und bringen sich gelegentlich auch gegenseitig um.

Lehrs Protagonist durchwandert Deutschland, erwischt seine Lebensgefährtin inflagranti und schafft es am Ende nicht, zusammen mit seinen Leidensgenossen in die Normalzeit zurück zu kehren.

Der Verlag lobt Lehrs Sprachkunst und tatsächlich schreibt er kunstvoll und gedrechselt. Er kommt nur nicht zur Sache und behilft sich lange Strecken hinweg mit Andeutungen und wohlformulierten Hinhalten.
 

 
Das ist auch nötig, weil schon sein Plot nicht stimmig ist. Er greift auf Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zurück, der ein Gedankenmodell für Beobachter entwickelt hat, die sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Bewegungsrichtungen zueinander bewegen und deshalb äußerliche Phänomene unterschiedlich wahrnehmen und messen können. Ihre gemeinsame Konstante ist die Lichtgeschwindigkeit. Aber so schnell, wie sich Lehrs Protagonisten in der Zeit bewegen, könnten sie die Außenwelt nur als vereinzelt glitzernde Dunkelheit wahrnehmen, weil die physikalische Menge der Sonnenstrahlung nicht deshalb zunimmt, weil sonst der Plot platzt.

Er platzt nicht, sondern verpieselt sich. Lehrs Inertialsysteme koexistieren, ohne als physikalische Systeme zu interagieren. Zunehmende Trägheit bei hoher Geschwindigkeit kennt er nicht.

Der Roman geht nur weiter, weil der Autor weiter fabuliert. Das ist kein Krimi, das ist keine Science Fiktion, das ist ein hochgestochener Wortbrei.

Immerhin habe ich gelernt, dass die Zahl 42 nicht nur die Antwort auf alle Fragen ist, sondern im japanischen Kulturkreis auch die Zahl des Todes.

Warum sich der ZEIT-Redakteur Max Rauner im Anhang auch noch eine nichtssagende Würdigung abringt, ist eine andere Frage, die ich nicht vertiefen möchte.
 

zurück zum Verweis Fidelma ermittelt

 
 

 
Die Hauptfigur im historischen Kriminalroman von Peter Tremayne ist Fidelma, eine Nonne und Rechtsgelehrte aus Irland, die politische Ränke, Morde und andere Verbrechen im Burgund im Jahr 670 aufklärt (4). Die Frau ist gebildet, intelligent und mutig. So attraktiv sie mir dadurch ist, so falsch scheint sie mir deshalb auch platziert zu sein.

Der Roman endet mit einem herrlichen Showdown, wie man ihn von allen modernen Kommissaren kennt, wo sie ihre Erkundungen, Bewertungen und Ergebnisse präsentieren und dabei nebenbei die Täter aus der Reserve locken.

Das Umfeld ist ein Kloster und die handelnden Personen sind vor allem Aristokraten und Geistliche. Beiden ist Bildung nicht abzusprechen. Ihre kulturellen Wurzeln sind regional und römisch und die römische Kultur war im siebten Jahrhundert genial.

Schauen wir uns jedoch um: Zu der Zeit gab es noch kein Nibelungenlied und keinen germanischen Siegfried. Ihre Quellen gehen auf Siebenhundertdickemilch zurück. Beeindruckend als Persönlichkeitsstudie ist mir der simple und dennoch gewandte Simplizissimus und der lebte 900 Jahre später. Die Frau ist mir zu gewandt, zu intellektuell und zu modern. Sie hat den Charakter eines William von Baskerville, den Umberto Eco in das vierzehnte Jahrhundert verpflanzt hat.

Das Buch ist ein Krimi und lesenswert. Seine Protogonisten scheinen mir jedoch nur in einer historischen Umgebung zu spielen, ohne jedoch als Zeitzeugen beobachtet zu werden.
  

 
Tremaynes Roman ist spannend und er hat den Anspruch erfüllt, einen Krimi zu liefern. Dennoch haben mich beide Bücher enttäuscht, weil sie den Anspruch in der einen Richtung, Naturwissenschaften zur Grundlage zu nehmen, und in der anderen Richtung, historisch stimmig zu sein, verfehlt haben.

Ich werde mir deshalb keine weiteren Bücher aus den beiden Serien kaufen.
 

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(1) ZEIT-Edition »Wissenschafts-Krimis«

(2) ZEIT-Edition »Historische Kriminalromane«

(3) Thomas Lehr, 42, Zeitverlag Gerd Bucerius 2009;
Bestellung bei .

(4) Peter Tremayne, Das Konzil der Verdammten, Zeitverlag Gerd Bucerius 2010;
Bestellung bei .
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018