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Vorermittlungen
12.08.2009 Ermittlungsverfahren
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Tatsachen im Vorermittlungsverfahren

 

 
§ 152 Abs. 2 StPO enthält zwei das Ermittlungsverfahren bestimmende Aussagen. Das ist zum Einen das Legalitätsprinzip, das die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten gegen Straftaten verpflichtet, wenn nicht im Besonderen Einschränkungen und Ausnahmen bestimmt sind. Die zweite wichtige Aussage ist die, dass eine Straftat nur dann zu verfolgen ist, wenn hinreichende Tatsachen vorliegen, die sie begründen.

Nicht jede Tatsache für sich alleine begründet einen Verdacht, sondern erst ihre fachliche und rechtliche Bewertung und das auch nur beim Zusammenspiel von verschiedenen Tatsachen und gesicherten Erfahrungssätzen. Die Rechtsprechung und die Literatur erkennen deshalb eine dem Ermittlungsverfahren vorgelagerte Phase der Vorermittlungen an. Sie dient der Staatsanwaltschaft und der Polizei zur Sondierung, das heißt zur Sammlung von Spuren, Beweismitteln und mündlichen Aussagen, die ein vorläufiges Gesamtbild vom Geschehen, seinen Beteiligten (Täter, Opfer, Zeugen) und zur rechtlichen Einordnung geben. Die Pflicht zum Einschreiten gemäß § 152 Abs. 2 StPO beginnt dann, wenn die Tatsachen dafür sprechen, dass eine Straftat geschehen ist. Die Identität der Beteiligten und der genaue Ablauf des Geschehens muss dazu noch längst nicht feststehen.
 

 
Die wesentliche Frage, die sich bei den Vorermittlungen stellt, ist die nach den Zwangsmaßnahmen, die während der Sondierung angeordnet werden dürfen. Sie stellt sich besonders dann, wenn es die Tatsachen unklar lassen, ob eine Straftat vorliegt oder einen in strafrechtlicher Hinsicht harmlosen Grund haben. Das kann bei einem Verkehrsunfall ebenso der Fall sein wie beim Fund einer Leiche oder bei den Ermittlungen über Brandursachen. Immer stellt sich dabei die Frage, ob Personen oder Sachen durchsucht, Gegenstände beschlagnahmt oder Personen auch festgenommen werden dürfen.

Eine herrschende Linie gibt es in der Rechtsprechung und der Literatur dazu nicht. Das liegt unter anderem daran, dass die Strafprozessordnung keine klare Aussage dazu trifft, ob die Untersuchung, von der § 94 Abs. 1 StPO spricht, auch die Vorermittlungen umfasst oder nicht.

Aus verschiedenen gesetzlichen Pflichten und dem Wortlaut besondere Einzelfälle regelnder Paragraphen lässt sich jedoch ableiten, dass bereits während der Vorermittlungen eine Beweissicherungspflicht besteht, die von strafverfahrensrechtlichen Eingriffsrechten begleitet werden. Sie lassen den Schluss zu, dass die Vorermittlungen ein Teil der strafrechtlichen Untersuchung sind, in denen einzelne Eingriffsmaßnahmen zulässig sind, wenn der Gesetzgeber keine weiteren Handlungsschranken gesetzt hat.
 

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Vorermittlungen bei Leichensachen

Wenn Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod bestehen oder wenn die Identität einer gefundenen Leiche unbekannt ist, muss die Staatsanwaltschaft unterrichtet werden ( § 159 Abs. 1 StPO). Nur sie darf die Leiche zur Bestattung freigeben ( § 159 Abs. 2 StPO).

Die StPO regelt das weitere Vorgehen:
Leichenschau - § 87 Abs. 1 StPO
Ausgrabung - § 87 Abs. 3, 4 StPO
Identitätsfeststellung - § 88 Abs. 1 StPO
  Entnahme von Körperzellen - § 88 Abs. 1 S. 2 StPO
Leichenöffnung - § 87 Abs. 2 StPO
  ... durch zwei Ärzte - § 87 Abs. 2 StPO
  Kopf-, Brust- und Bauchhöhle - § 89 StPO
neugeborenes Kind - § 90 StPO
Verdacht einer Vergiftung - § 91 StPO
 

 
Vorermittlungen sind davon geprägt, dass bereits "ungewöhnliche" Tatsachen bekannt sind ( Merkwürdigkeit), die nach der kriminalistischen Erfahrung eine Straftat vermuten lassen und deshalb zur Erforschung der Ursachen zwingen.

Solche Ursachenermittlungen sind der Strafprozessordnung nicht fremd, wie einige Kommentatoren zu Unrecht meinen (1). Im Zusammenhang mit Leichenfunden enthält die StPO detaillierte Regeln ( siehe links) und strukturiert damit diesen Sonderfall der Vorermittlungen.

Daran schließt sich der BGH an, der die Auffassung vertritt, "Leichensachen" gemäß §§ 159, 87 StPO seien keine Ermittlungsverfahren (2). Das betrachtet er jedoch aus einer besonderen Sicht, nämlich nach dem Maßstab des § 22 Nr. 4. StPO, wonach der Richter dann sein Amt nicht ausüben kann, wenn er bereits in der Sache als Staatsanwalt tätig gewesen ist. "Ermittlungsverfahren" und "Untersuchung" im Sinne von § 94 Abs. 1 StPO sind hingegen keine deckungsgleichen Begriffe. Der Begriff des Ermittlungsverfahrens ist geprägt von § 152 Abs. 2 StPO und setzt voraus, dass die Staatsanwaltschaft davon überzeugt ist, dass eine Straftat begangen wurde. Genau das steht während der Vorermittlungen noch nicht fest.

Um aus den Vorermittlungen zum Ermittlungsverfahren überzuleiten, bedarf es nach herrschender Meinung eines Willensaktes der zuständigen Strafverfolgungsbehörde, der erst möglich ist, wenn sie davon überzeugt ist, dass eine Straftat begangen wurde.
 

 
Die Kriminalitätsvorbeugung (Prävention) ist eine polizeiliche Aufgabe. Davon macht die StPO einige Ausnahmen.

Der Erkennungsdienst wird von § 81b StPO nur knapp angesprochen und hat eine strafverfahrensrechtliche ("Durchführung des Strafverfahrens") und eine polizeiliche Ausrichtung ("Erkennungsdienst" im engeren Sinne), deren Einzelheiten in den Polizeigesetzen der Länder geregelt werden. Er umfasst vor allem Messungen am Körper (Größe, Armlänge usw.), die Erfassung von Merkmalen (Narben, fehlende Glieder), die Fertigung von Fotografien und die Abnahme von Fingerabdrücken (3).

Eine große Bedeutung hat die molekulargenetische Untersuchung erlangt ( genetischer Fingerabdruck, § 81g StPO), die ausdrücklich zur Aufklärung künftiger Straftaten dient (4).

Polizei und Staatsanwaltschaft sind darüber hinaus zum Abgleich von Dateien befugt ( § 98c StPO), um Straftaten aufzuklären. Die sehr allgemein gehaltene Formulierung umfasst auch die Erkundung von Tat- und Täterzusammenhängen sowie von organisierten Strukturen, die noch im Vorfeld angesiedelt sind. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen hierzu auch gemeinsame Datensammlungen erstellen ( §§ 483 ff. StPO).

 

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Durch Verwaltungsvorschriften ( MiZi, MiStra) sind Gerichte, Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden zur gegenseitigen Unterrichtung in bestimmten Fällen verpflichtet. Das gilt zum Beispiel wegen der Eidesstattlichen Versicherungen über die Vermögenslosigkeit von Privatpersonen und Firmen sowie über die Eröffnung von Insolvenzverfahren. In diesen Fällen prüft die Staatsanwaltschaft, ob ein Anfangsverdacht wegen Betrug ( § 263 StGB), Untreue ( § 266 StGB), Bankrott ( § 283 StGB) oder Verletzung der Insolvenzantragspflicht ( § 15a InsO) besteht, indem sie die gerichtlichen Vorgänge einsieht oder z.B. den Insolvenzverwalter wegen der Insolvenzgründe und den Zeitpunkt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit befragt. Dabei prüft sie auch, ob die Vorschriften über die Buchhaltung und die Termine für die Aufstellung von Jahresabschlüssen eingehalten wurden ( § 242 HGB, §§ 41, 42a GmbHG).

Ich rechne diese Prüfungsaufgaben den Vorermittlungen zu, weil sie anlassbezogen sind und der Anlass die tatsächlichen Anhaltspunkte für die Prüfung liefert.
 

 
Nr. 4.5 der Anlage E zur RiStBV ermächtigt die Staatsanwaltschaft und die Polizei wegen der Organisierten Kriminalität ausdrücklich zu Ermittlungen, um die Frage zu klären, ob ein Anfangsverdacht besteht. Dazu darf die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Nebentäter zurückstellen, um zunächst die Haupttäter zu identifizieren und ihre Beteiligung zu klären. Dabei handelt es sich um Vorfeldermittlungen.

Die Ermächtigung zu Initiativermittlungen ist eine typische Ausformulierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ihm liegt eine Güterabwägung zugrunde, die das Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten trennt und der Ermittlungstiefe den vorübergehenden Vorzug gibt. Daraus ist kein Verzicht auf Strafverfolgung abzuleiten, sondern die Anweisung, die besonders gefährlichen Strukturen im Umfeld der schwersten Kriminalität aufzuklären. Dazu wird eine mildere Verfolgung der Nebentäter in Kauf genommen.

Die ausdrückliche Benennung der Organisierten Kriminalität bedeutet hingegen nicht, dass die Güterabwägung nicht auch für andere Kriminalitätsbereiche gilt. Je nach der Schwere der Kriminalität greifen auch dort die gleichen Grundsätze. Der populistische Merksatz, "die Kleinen bestraft man ...", gilt nach verfassungs- und strafverfahrensrechtlichen Grundsätzen eben nicht.
  

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§ 160 Abs. 1 StPO verpflichtet die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen, sobald sie Kenntnis von einer Straftat erhält. Das heißt aber noch nicht, dass zu ihrer sicheren Überzeugung eine Straftat begangen wurde. In dieselbe Richtung geht § 160 Abs. 2, 2. Halbsatz StPO, der die Staatsanwaltschaft zur Erhebung und Sicherung der Beweise verpflichtet, deren Verlust zu besorgen ist. Beide Vorschriften verlangen nach staatsanwaltschaftlichen Handlungen im Zusammenhang mit Vorermittlungen. Dem schließt sich mit klaren Worten der § 163 StPO an. Er verpflichtet die Polizei zum ersten Zugriff. Sie hat Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. § 163 Abs. 1 S. 2 StPO gibt den hier interessierenden Auftrag: Bei Gefahr in Verzug muss die Polizei alle Anordnungen treffen, zu denen sie befugt ist.

Diese Befugnisse richten sich nach dem Verdachtsgrad. Die Postbeschlagnahme darf sich nur gegen Beschuldigte richten ( § 99 StPO) und setzt voraus, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat bestehen. Dasselbe gilt für andere geheime Ermittlungen ( § 101 Abs. 1 StPO), nicht aber zum Beispiel für die Beschlagnahme ( § 94 Abs. 2 StPO) und die Durchsuchung beim unbeteiligten Dritten ( § 103 StPO).

Die Strafprozessordnung stammt aus 1877 und ist jetzt mehr als 130 Jahre alt. Ihre Grundstruktur und Gliederung ist noch immer dieselbe, wenn auch viele neue Bereiche eingeführt wurden, die der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet sind. Sie gehört zu den klassischen Bollwerken des Rechts, zu denen auch das Strafgesetzbuch, das Bürgerliche und Handelsgesetzbuch, die Zivilprozessordnung und nicht zuletzt das Gerichtsverfassungsgesetz gehören. Alle übrigen Gesetzeswerke dürften jünger sein (vielleicht abgesehen vom Höferecht und anderen kleineren Exoten).
 

 
Sie ist kaiserlich und wilhelminisch geprägt. Sie weist den Polizeistaat in Grenzen, indem sie mit der Staatsanwaltschaft eine quasi-gerichtliche Behörde schafft, die eine Schimäre aus Verwaltungsbehörde und Gericht und gleichzeitig Vollstreckungsbehörde ist. Andere Rechtsordnungen haben diese Trennung nachhaltiger vollzogen, indem sie einen Ermittlungsrichter eingeführt (Frankreich) oder die Ermittlungskompetenz des Staatsanwalts begrenzt haben (Österreich). Ob sie damit mehr Rechtsstaat geschaffen haben, wage ich zu bezweifeln.

Für das Verständnis von den staatsanwaltschaftlichen und (ihnen folgend: polizeilichen) Eingriffsmaßnahmen ist diese geschichtliche Dimension hingegen wichtig: Dem klassischen Gesetzgeber ging es um die Schaffung eines Rechts, das im Zusammenhang mit der Kriminalität Rechtssicherheit schafft. Sie ist jedoch nicht allein durch die Verfolgung von Straftätern zu schaffen, sondern muss auch in das Vorfeld greifen.

Die meisten der links aufgeführten Vorschriften sind bereits in der Urfassung der StPO enthalten gewesen und spiegeln ihre Ausrichtung wider. Sie kennzeichnen noch eine Gemengelage von polizeilichen Erkundigungen und gradliniger Strafverfolgung.

Diese Ausrichtung hat der aktuelle Gesetzgeber nicht ernsthaft in Frage gestellt. Er hat klarere Vorstellungen davon, was Polizei- und was Strafverfahrensrecht ist, und hat das Ermittlungsrecht mit Einzelregeln angereichert, die auf qualifizierte Verdachtsstufen aufbauen. Den arrondierenden Bereich zwischen beiden (man nennt das heute Schnittstelle) hat er jedoch unangetastet gelassen.

 

 

zurück zum Verweis Grenzen der Zurückhaltung
   

 
Die Ermächtigung zu Initiativermittlungen ist klaren Schranken unterworfen. Gegen konkret bevorstehende Straftaten von Bedeutung muss die Staatsanwaltschaft einschreiten, sobald sie von ihnen Kenntnis erlangt. Das gilt besonders dann, wenn das Leben, die Gesundheit oder andere wichtige Rechte der Betroffenen gefährdet sind.

Problematisch sind die Grenzfälle, in denen zum Beispiel nach Serientätern gefahndet wird und sich die Frage stellt, ob sie bei einer Tat festgenommen oder nur beobachtet werden sollen, um ihre Mittäter, Hehler oder Beutelager zu identifizieren. Dabei sind die Schwere der Tat und die zu befürchtenden Verletzungen von Freiheitsrechten zu berücksichtigen.

Drohen Gefahr für Leib oder Leben oder für erhebliche Vermögenswerte, dann kann sich das Ermessen auf "Null" reduzieren.
  


Anders sieht das aus bei von der Polizei beobachteten Kurierfahrten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln oder Waffen, bei der ("ungefährlichen") Schleusung von Ausländern oder bei dem kontrollierten Abtransport von Diebstahlsbeute. Droht deren Verlust, zum Beispiel bei einem Grenzübertritt, so ist in aller Regel der Zugriff erforderlich.
 

zurück zum Verweis Merkwürdigkeit Geltung der StPO
 

 
Um eine Ausuferung von Eingriffsrechten im Stadium der Vorermittlungen zu vermeiden, bedarf es einer genauen Definition, die sich an § 160 Abs. 1 StPO orientiert: Staatsanwaltschaft und Polizei sind zur Handlung und Prüfung nach Maßgabe des Werkzeugs, das die StPO zur Verfügung stellt, und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet, sobald sie Kenntnis von der Möglichkeit einer Straftat erhalten. Die Quelle ihrer Kenntnis ist dabei egal. Es kann sich gleichermaßen um die Empörung eines Bürgers (Strafanzeige), die Beobachtungen von Streifenpolizisten, öffentliche Anschläge (Presse, Internet) oder ihre Kenntnisse aus anderen Vorgängen handeln.

Das begrenzende sachliche Kriterium ist das, was ich als Merkwürdigkeit bezeichne: "Merkwürdig" sind Vorgänge, die von der Alltagserfahrung abweichen und naturgesetzlich eher unwahrscheinlich sind. Sie können sich durch eine Leiche, bäuchlings auf Flüssen treibenden toten Fischen, dem plötzlichen Reichtum eines Armen, verheerenden Bränden oder anderen Erscheinungen äußern, die ungewöhnlich sind, nicht zwingend auf eine Straftat schließen lassen und sie jedoch nahe legen (im Fall des "Armen" jedoch nur, wenn er bislang keine Anstrengungen bekannt werden ließ, zu Vermögen oder gar Reichtum zu gelangen).
 

 
Die Beispiele zeigen, dass die "Merkwürdigkeit" nur mit Tatsachen begründet werden kann, die eine Straftat als wahrscheinlich erscheinen lässt, ohne dass es sich um eine "überwiegende" Wahrscheinlichkeit handeln müsste. Alle weiteren Ermittlungshandlungen unterliegen dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Ein schwacher Verdacht rechtfertigt nur flache Eingriffsmaßnahmen und ein stärkerer entsprechend tiefere. Besonders tiefe Eingriffsmaßnahmen hat der Gesetzgeber im Einzelfall bestimmt und damit aus den Vorermittlungen ausgeschlossen.

Die Vorermittlungen finden im Übergangsbereich zwischen dem Polizei- und dem Strafverfahrensrecht statt. Sie rechtfertigen noch polizeirechtliche Maßnahmen, etwa zur Störerabwehr oder zur Eigentumssicherung, und schon strafprozessuale Maßnahmen, wenn sie zur Klärung einer möglichen Straftat dienen. Das gilt besonders für die Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln. Sie lässt der Gesetzgeber bereits zu, wenn sie eine auch nur mögliche Beweisbedeutung haben ( § 94 Abs. 1 StPO).

 

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Das Stadium der Vorermittlungen wird sachlich von der Merkwürdigkeit geprägt. Dieser von mir stammende und keineswegs Allgemeinüblichkeit beanspruchende Begriff verlangt nach einem Sachverhalt, der eine Straftat wahrscheinlich erscheinen lässt, ohne strafrechtlich harmlose Prozesse ausschließen zu können. Die §§ 160 und 163 StPO bestimmen bereits in diesem Stadium eine flache Handlungspflicht für die Staatsanwaltschaft und die Polizei, wobei der Gesetzgeber nur wenige Eingriffsmaßnahmen für dieses Stadium der Untersuchung eröffnet hat. Dazu gehören Anhörungen ( § 163 Abs. 1 S. 2 StPO), förmliche Vernehmungen ( § 161 Abs. 1 StPO), behördliche Auskünfte ( § 161 Abs. 1 StPO), Beschlagnahmen ( §§ 94, 95 StPO) und Durchsuchungen ( §§ 102, 103 StPO).

Eine einsame Entscheidung ist die des LG Offenburg von 1993 (5). Es hat die Ermittlungskompetenz der Staatsanwaltschaft im Stadium der Vorermittlungen anerkannt und eine richterliche Zeugenvernehmung angeordnet, bezieht sich jedoch nach meiner Auffassung zu sehr auf Meinungen in der Literatur, die prognostisch sein können, aber häufig wechselnden Moden unterliegen.

Ich bevorzuge deshalb eine dogmatische Argumentation, die sich am Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes orientiert.
 

 
Wenn man die Werkzeuge der StPO als Kriminalitätsbekämpfungswerkzeuge versteht, die nur grob zwischen Polizei- und Strafverfahrensrecht unterscheiden, dann kommt dem Wortlaut der einzelnen Eingriffsnormen die bestimmende Bedeutung zu. Das ermöglicht die links aufgeführten Ermittlungshandlungen.

Von den Vorermittlungen abgegrenzt werden müssen die Vorfeldermittlungen. Auch sie gründen auf einem ermittlerischen Bauchgefühl, das die Neugier beflügelt. In sie dürfen jedoch nur solche Kenntnisse einfließen, die den Ermittlungsbehörden aus legalen Quellen bekannt sind. Der Spurenansatz führt jedoch dazu, dass sich die Vorfeldermittlungen auch auf verdeckt gewonnene Erkenntnisse beziehen dürfen, weil sie die Begründung von Eingriffsmaßnahmen auch dann rechtfertigen, wenn sie als Vollbeweis nicht zugelassen sind.
 

zurück zum Verweis Fazit
 


Das Legalitätsprinzip greift erst dann, wenn feststeht, dass eine Straftat begangen wurde. Die ersten, auch noch unsicheren sachlichen Anhaltspunkte für eine Straftat lassen eine Prüfungspflicht der Strafverfolgungsbehörden entstehen, die das Stadium der Vorermittlungen einleitet. Es rechtfertigt Eingriffsmaßnahmen nur in dem Maße, wie sie der Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen hat. Daraus folgt, dass die Vorermittlungen zur Prüfung, ob eine Straftat vorliegt, ein vorgelagerter Bestandteil der strafrechtlichen Untersuchung sind, auf die § 94 Abs. 1 StPO Bezug nimmt.
 

 
Darin unterscheiden sich die Vorermittlungen von den Vorfeldermittlungen. Sie gründen auf Tatsachen und kriminalistischen Erfahrungen, die noch keine konkrete Straftat erkennen lassen. Für sie dürfen zwar alle Kenntnisse herangezogen werden, die die Strafverfolgungsbehörden haben, aber nur zur Bewertung und Analyse sozialer Prozesse. Daraus dürfen neue Verdächte abgeleitet und Eingriffsmaßnahmen begründet werden, wenn die Fakten Straftaten erkennen lassen.

Die Zulässigkeit der Eingriffsmaßnahme richtet sich hingegen danach, welchen Verdachtsgrad der Gesetzgeber als Schwelle bestimmt. Das kann dazu führen, dass die Grenzen zwischen Vorfeld- und Vorermittlungen sowie zu den Ermittlungen selber verschwimmen. Bestimmend sind jedoch die klaren Anweisungen des Gesetzgebers, unter welchen sachlichen Voraussetzungen er welche Eingriffsmaßnahmen zulässt.
 

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(1) z.B. Werner Beulke in LR, § 152 StPO, RN 33

(2) BGH, Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03, RN 20

(3) biometrische Erkennungsverfahren

(4) BVerfG zur eingehenden Prognosebegründung

(5) LG Offenburg, Beschluss vom 25.05.1993 - Qs 41/93, NStZ 1993, 506
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018