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Januar 2011
12.01.2011 Meldungen
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift extreme Hauptverhandlung Tränen lügen nicht

 
Der Vorsitzende hatte zunächst die Zuziehung (nur) eines Ergänzungsrichters angeordnet. Nachdem RiLG Dr. B. gegen den im Zusammenhang mit der Terminierung dieses Verfahrens stehenden Widerruf seiner Urlaubsbewilligung Widerspruch eingelegt und eine beisitzende Richterin ihre Schwangerschaft angezeigt hatte, ordnete der Vorsitzende die Zuziehung eines weiteren Ergänzungsrichters an. Zu dem für den 25. Oktober 2007 anberaumten Hauptverhandlungstermin meldete sich RiLG Dr. B. kurz vor Terminsbeginn telefonisch dienstunfähig erkrankt; der weitere Ergänzungsrichter, VRiLG S. , erschien. Nach Aufruf der Sache, Feststellung des soeben Gesagten, Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Beratung hierzu wurde das Verfahren durch Gerichtsbeschluss ausgesetzt und neuer Termin für den 8. November 2007 bestimmt. Am selben Tag ordnete der Vorsitzende die Zuziehung von drei Ergänzungsrichtern an. Dies veranlasste das Präsidium des Landgerichts, am 29. Oktober 2007 den Geschäftsverteilungsplan dahingehend zu ändern, dass zum weiteren Ergänzungsrichter RiLG L. bestimmt wurde, in der Reihenfolge nach den bereits namentlich bestimmten. Hierüber wurden die Verteidiger der Angeklagten unterrichtet. Die Besetzung des Gerichts wurde dahingehend bekannt gegeben, dass an der Hauptverhandlung nunmehr RiLG Dr. B. , VPräsLG R. und RiLG L. als Ergänzungsrichter mitwirkten. Am 8. November 2007 teilte der Vorsitzende nach Aufruf der Sache mit, dass sich RiLG Dr. B. erneut kurz vor dem Termin telefonisch dienstunfähig erkrankt gemeldet habe. In der Besetzung mit zwei Ergänzungsrichtern, VPräsLG R. und RiLG L. , nahm das Gericht sodann einen maschinenschriftlich vorbereiteten Antrag der Verteidigung auf amtsärztliche Untersuchung von RiLG Dr. B. sowie die Rüge, das Gericht sei hinsichtlich der Zahl der Ergänzungsrichter unvollständig besetzt, entgegen, bevor der Vorsitzende schriftlich (zu Protokoll) die Anordnung auf Zuziehung eines dritten Ergänzungsrichters aufhob. Es folgten Befangenheitsanträge und Besetzungsrügen. Die Dienstunfähigkeit von RiLG Dr. B. wurde noch am 8. November 2007 amtsärztlich festgestellt. Am dritten Hauptverhandlungstag schied eine Beisitzerin aus, an ihre Stelle rückte VPräsLG R. , der am darauf folgenden Hauptverhandlungstag krankheitsbedingt ebenfalls ausscheiden musste. Der an seine Stelle tretende RiLG L. wirkte sodann am Verfahren bis zur Urteilsverkündung mit. (1)
 

11-01-13 
Wenn alles schief geht, Richter krank (oder schwanger) werden und die Verteidiger keine Gelegenheit auslassen, den Fortgang der Hauptverhandlung zu torpedieren, dann kann eine Gerichtsverhandlung zu einem nervenaufreibenden Martyrium werden. Über ein solches hat der BGH zu entscheiden gehabt (1).

49 Seiten angefüllt mit Verfahrensfragen und Steuerrecht. Diese Entscheidung eignet sich nicht zur Besprechung im Rahmen des Cyberfahnders. Wer jedoch einen Eindruck davon bekommen will, mit welchen Schwierigkeiten die Justiz in der Praxis zu kämpfen hat, sollte sich diesen Beschluss in Ruhe durchlesen. Er behandelt ein außergewöhnliches, plakatives und damit beispielgebendes Verfahren, das in aller Deutlichkeit zeigt, welchen Belastungen - tatsächlicher Art und wegen der geforderten fachlichen Kompetenz - Justizjuristen ausgesetzt sind.

Mein Blick gilt besonders den Staatsanwälten, die in aller Regel einzeln und allein die Aufgaben des Beamten der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung ausüben müssen. Das ist Stress pur und jedes noch so dicke Fell nutzt sich unter solchen Umständen ab oder wird zu Borniertheit. Diese ist hingegen die schlechteste Voraussetzung für diesen Job, der eine Aufgabe ist, auf den die Verfassung baut.

Als Betroffener fühlt man sich mehr als allein gelassen. Unterstützung, Betreuung und Mediation für Staatsanwälte gibt es in aller Regel nicht. Das würde ja einerseits Schwäche eingestehen und andererseits Führungsverantwortung bedeuten. Von dieser wird gesprochen, aber nicht wahrgenommen. Das würde Geld kosten, das für diese Zwecke nicht zur Verfügung steht.
 

11-01-14 
Der Schlagertitel ist schwer in Frage zu stellen. Die Tränen von Frauen enthalten ein chemisches Signal, das die sexuelle Erregbarkeit von Männern reduziert (2). Nach einer israelischen Untersuchung wirken weinende Frauen auf Männer unattraktiver und abreizend. Die Forscher vermuten dahinter einen noch nicht identifizierten chemischen Reizstoff in der Tränenflüssigkeit, quasi ein Antipheromon, das unabhängig vom optischen Signal wirkt. Das könnte bedeuten, dass Tränen insgesamt besänftigend wirken.

Das hab' ich nicht gedacht.
 

Lügendetektor bleibt unzulässig
11-01-15 
Vor 15 Jahren hat der BGH die Verwendung des Lügendetektors im Strafverfahren ausgeschlossen. Das hat das Gericht jetzt wieder bestätigt -zu recht (3).

zulässig erhobene Vorratsdaten bleiben verwertbar
11-01-16 
Ich habe gewonnen! In dem Arbeitspapier Zum Umgang mit Verkehrsdaten habe ich mich weit hinausgelehnt und vertreten, dass Vorratsdaten, die nach Maßgabe der vorläufigen Beschränkungen des BVerfG zulässig erhoben wurden, verwertbar auch nach dem Urteil vom 02.03.2010 bleiben. Das hat der BGH jetzt bestätigt (4).
 
Merke: So ganz falsch kann der Cyberfahnder mit seinen Prognosen nicht liegen!
 
Mir sind zwei weitere Verfahren bekannt, in denen der dritte Senat des BGH diese Frage entscheiden muss. Wenn er von dem vierten Senat abweichen will, dann muss er sie allen anderen Senaten zur Stellungnahme vorlegen. Das dürfte längst in der Kantine erledigt worden sein.
 
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(1) BGH, Beschluss vom 02.11.2010 - 1 StR 544/09; Rn 38
 
(2) Cornelia Dick-Pfaff, Chemie der Tränen, Wissenschaft aktuell 07.01.2011
 
(3) BGH, Beschluss vom 30.11.2010 - 1 StR 509/10, Rn 6
 
(4) BGH, Beschluss vom 04.11.2010 - 4 StR 404/10
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018